.
Das Thema ist heikel.
Im Faltbootforum liefen Diskussionen dazu
schon mehrmals aus dem Ruder. Die verschiedenen Meinungen gehen von „maximalem
Rundumschutz“ bis „fast Garnix“. Der eine Paddler stellt lange Listen zusammen,
was man unbedingt zu jeder Fahrt mitnehmen muss, ein anderer schreibt,
er könne schließlich schwimmen – basta. Einmal schrieb Jemand,
er würde nur Versicherungen gegen existenzbedrohende Risiken abschließen
und es mit der Sicherheit im Boot genauso halten. Viele denken, durch die
Mitnahme des Handys schon gegen alle Katastrophen gewappnet zu sein. Es
gibt Paddler, die nicht mal Spitzenbeutel ins Boot machen und sich einreden,
dass sie im Bewusstsein des erhöhten Risikos besonders vorsichtig
fahren würden. Natürlich spielt es eine große Rolle, unter
welchen Umständen man aufs Wasser geht. Wer extreme Touren macht,
wird das Problem anders anpacken, als wir Schönwetter-Sonntagspaddler.
.
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Unsere
Ausgangsposition
J+J faltern eigentlich nur
im Sommer tagsüber auf Binnengewässern mit Badetemperatur. Deshalb
wollen wir gar nicht versuchen, irgendwelche allgemeingültigen Lehrsätze
zu verbreiten, sondern unsere ganz persönliche Sichtweise darstellen.
Diese weicht in einigen Punkten von der „üblichen“ ab und stellt manchmal
mehr Fragen als sie beantwortet. Ergänzungen und kritische Anmerkungen
sind deshalb ausdrücklich erwünscht. Gegebenenfalls fügen
wir sie gerne in die Seite ein. |
.Sicherheit
muss nicht teuer sein.
.
Es gibt ein paar unverzichtbare
Sachen. Das ist vor allem ein rundherum dichtes Boot mit ausreichend Reserveauftrieb.
Das Oberdeck sollte außer der Sitzluke
keine nennenswerten Löcher haben. Die Spritzdecke soll einfach anzubringen
sein und weite, hohe Sitzkamine haben. Was braucht man sonst noch? Sieben
Sachen: |
Spritzdecke
mit reichlich bemessenen Sitzkaminen, die wie ein Sack zugeschnürt
werden können. An Steuerbord wird sie festgeschraubt, Backbord mit
Druckknöpfen befestigt.
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Was Lautes, was Auffälliges,
was zum Aufblasen, was zum Schöpfen, was zum Festbinden,
was
zum Abdichten und was ganz Trockenes (nämlich das gut
verpackte Handy). Natürlich erleichtert eine teuere Ausrüstung
Rettungsmaßnahmen und verkürzt die Zeit bis man wieder trocken
und flott ist. Vollautomatische Schwimmwesten, Notraketen, ein selbstaufblasendes
Paddelfloß oder eine elektrische Lenzpumpe haben ganz sicher ihre
Vorzüge. Aber was nützt das beste Rettungsmittel, wenn man es
im Ernstfall an Land gelassen hat. "Wir fahren nur mal kurz über den
See. Sind gleich wieder da!" Die Tasche mit den Rettungsutensilien
bleibt im Zelt. Es passiert oft genug gerade auf solchen Kurztrips. Einige
Sachen nimmt man aber auf jede Tour mit, weil sie auch noch einen anderen
Zweck erfüllen. Wer sich im Notfall damit helfen kann, hat einen entscheidenden
Vorteil. Dazu gehören vernünftig durchdachte Konzepte wie man
die Normalausrüstung multifunktional als Rettungsmittel einsetzen
kann. Wer erst in der Notsituation überlegen muss, was zu tun ist,
macht entscheidende Fehler.
.
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Das erste Mal
gekentert bin ich als Schulkind im Frühjahrs-Wildwasser auf der Werra
zwischen Themar und Meiningen. Es war meine erste WW-Tour überhaupt.
Als Ursachen sehe ich heute eine Kombination aus mangelhafter Ausrüstung
und unzureichendem Fahrkönnen. Inzwischen bestehen Steuerseile aus
rostfreiem Stahldraht. Wir verwendeten damals die vom Hersteller mitgelieferten
Original-Hanfschnüre. Das
Steuerbordseil riss unter einer engen Brücke. Sofort drehte das Boot
den Bug nach links. Damit war er aus der Hauptströmung und verkeilte
sich zwischen dem Ufer und einem überfluteten Baum. Das Heck bekam
die volle Strömung ab und wurde herumgerissen. Die rechte Seitenleiter
ging mit einem lauten Krachen zu Bruch und das Boot wickelte sich um den
Baumstamm. Ich weiß noch, dass ich krampfhaft mein schönes
neues Paddel fest hielt, als die Sitzluke sich in die Vertikale drehte.
Der Sturz ins eiskalte Wasser (Schneeschmelze) kam so unerwartet wie nur
irgendwas. Glücklicherweise beförderte mich das Kehrwasser zwischen
den Bäumen in Richtung Ufer. Hinterher ist man schlauer. Der Unfall
hätte so nicht passieren müssen. Man hätte die zweifelhaften
Strippen vor der Fahrt gegen ordentliche Seile austauschen können.
Vielleicht hätten wir das Boot trotz Ruderschaden durch schnellen
kräftigen Paddeleinsatz an dem vermaledeiten Baum vorbei gebracht. |
.
Sicherheitsdenken ist Vorausdenken.
.
Man versucht sich auf bedrohliche Situationen
vorzubereiten, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten können.
Eine Notlage, die man bereits einmal gedanklich durchgespielt und zu der
man entsprechende Strategien im Hinterstübchen hat, ist wesentlich
besser zu bewältigen. Das bekannteste Szenario beim Faltbootfahren
ist die Kenterung. Passiert alle Tage. Gemeint ist hier nicht die
absichtlich herbeigeführte Kenterung beim Rollentraining, sondern
die unabsichtliche Kenterung eines vollgepackten Wanderbootes oder eines
Faltbootes unter Segeln bzw. mit Motor.
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Wir haben mit
der Zweimastbesegelung mehrere lange Wanderfahrten unternommen und sind
dabei toi-toi-toi nie gekentert. Vielleicht lag es an der größeren
Vorsicht, die man mit dem Boot voller Campingkram walten lässt, vielleicht
auch am niedrigeren Schwerpunkt. Gekentert sind wir immer nur im leeren
Boot auf Kurztouren wenn wir einfach so zum Spaß unterwegs waren
und an nichts Böses dachten. |
.
Wie kann das überhaupt
passieren?
.
Dazu erst mal etwas Physik. Jedes Boot
hat einen Gewichtsschwerpunkt und einen Auftriebsschwerpunkt. Bei Kielyachten
liegt der Gewichtsschwerpunkt (dank Ballastflosse) so weit unter
dem Auftriebsschwerpunkt, dass sie sich sogar nach einer Kenterung von
selbst wieder aufrichten. Sie sind gewichtsstabil. „Stehaufmännchenprinzip“
.
Bei Faltbooten liegt dagegen der Gewichtsschwerpunkt
über
dem Auftriebsschwerpunkt. Wieso fallen diese Dinger dann nicht sofort um?
Ganz einfach. Sie verhalten sich wie formstabile Jollen. Neigt sich
das Boot etwas zu einer Seite, so taucht diese tiefer ins Wasser, während
sich die gegenüber liegende Seite heraushebt. Der Auftriebsschwerpunkt
wandert zur tiefer eintauchenden Seite. Gewicht und Auftrieb sind gemeinsam
bemüht, das Boot wieder aufzurichten. Das funktioniert bis zu einem
gewissen Grad wunderbar. Man muss nur aufpassen, dass man das Boot nicht
so weit neigt, bis der Gewichtsschwerpunkt über den Auftriebsschwerpunkt
hinauswandert. Geschieht das, kippt das Boot unweigerlich um. Das geht
erschreckend schnell
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stabile Lage
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aufrichtende Kräfte
...
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... immer noch ...
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kritischer Punkt
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... jetzt Kenterung
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Ein leeres Faltboot kentert gewöhnlich
erst, wenn die Fische in die Sitzluke gucken können, also bei etwa
90 Grad Neigung zur Seite. Dabei spielt die Rumpfform die Hauptrolle. Breite
bauchige Rümpfe kentern später als schlanke mit V-förmigen
Querschnitt. Wo dieser Wert beim eigenen Boot genau liegt, kann man an
einem warmen Sommertag gefahrlos im Flachwasser testen.
Und da man ja sowieso Badesachen an hat
und das Boot eh völlig nass geworden ist, kann man sich auch mal reinsetzen
und versuchen, es mit dem Körpergewicht zu kippen. Achtung! Das Wasser
sollte für dieses Experiment nicht zu flach sein, sonst knallt man
evtl. mit dem Kopf auf den Grund!
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stabile Lage
|
aufrichtende Kräfte
...
|
kritischer Punkt
|
... oops jetzt schon
Kenterung
|
|
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Mit Besatzung ist der Kenterwinkel schon erschreckend
kleiner. Warum? Ein leeres Faltboot wiegt so um die 30 kg. Sein eigener
Gewichtsschwerpunkt dürfte etwa in Höhe des Mittelspantes deutlich
unterhalb vom Süllrand liegen. Im Zweier kommen dazu rund 150
kg Besatzungsgewicht. Der Gewichtsschwerpunkt eines sitzenden Menschen
liegt deutlich oberhalb des Bauchnabels. Damit steigt der Gesamtschwerpunkt
über den Süllrand und das Boot fällt schon bei 50 bis 60
Grad Neigung um. Segeleinrichtungen heben den Schwerpunkt weiter an. Unser
Zweimaster kam schon bei etwa 45 Grad in die Gefahrenzone.
.
Freihandexperiment:
Um ein Gefühl für
die Zusammenhänge zu bekommen, muss man aber nicht gleich sein Boot
umschmeißen. Man kann statt dessen spaßeshalber mal mit einer
leeren Plastedose im Waschbecken experimentieren. Stellt man einen Becher
mit Wasser genau in die Mitte der Dose, schwimmt sie schön waagerecht.
Verschiebt man den Becher in der Dose ein kleines bisschen seitwärts,
taucht die belastete Seite sofort deutlich tiefer. Das Ganze behält
aber noch eine stabile Schwimmlage. Drückt man mit dem Finger vorsichtig
auf den tiefer liegenden Rand der Dose, spürt man zunächst den
wachsenden Gegendruck des Auftriebs. Ein Millimeterchen zuviel, schon kentert
das Experiment blitzartig. Wenn man das mit unterschiedlichen Dosen, und
Schüsseln sowie mit mehr oder weniger Wasser im Becher versucht, bekommt
man leicht mit, welchen Einfluss Breite und Form des Schwimmkörpers
sowie die Höhe des Gewichtsschwerpunktes haben..
.
Alles im Lot.
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Noch liegen
die Schwerpunkte genau übereinander. |
Der Auftriebsschwerpunkt
wandert zur tiefer eintauchenden Seite. |
Der Gewichtsschwerpunkt
ist über den Auftriebs- schwerpunkt hinaus. |
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Außer dem Gewicht und dem Auftrieb
wirken oft noch andere Kräfte auf das Boot ein. Wind und Wellen kippeln
dran herum. Der überhängende Ast am Flussufer und der unerfahrene
Dickschiff-Skipper in der Schleusenkammer sind weitere Möglichkeiten.
Wer sich einen Motor ans Boot klemmt, muss auch dessen Kraft einkalkulieren.
Die üblichen Seitenborder sind weniger problematisch, da sie mit ihrer
langen Welle eigentlich immer in Längsrichtung schieben. Dreht man
jedoch die Pinne eines seitlich angebauten Z-Außenborders quer zur
Fahrtrichtung, besteht allerhöchste Gefahr. Der rechtwinklig zur Bootsachse
wirkende Propellerschub kann das Boot umreißen.
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Fataler Fehler: |
der Propeller dreht... |
das Boot auf die Seite... |
Wasser dringt ein... |
der Motor säuft ab... |
...was nun? |
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Wer auf einem Faltkajak
Segel setzt, liegt ebenfalls fix mal im Bach. Der Druck ins Segel kann
blitzschnell so stark ansteigen, dass man nicht mehr rechtzeitig reagieren
kann. Sobald der leeseitige Süllrand unter Wasser gedrückt wird,
ist alles zu spät.
Unser zweiter
Umschmiss hatte seine Ursache in schlechter Seemannschaft. Der Steuermann
versäumte, den völlig unerfahrenen Vorschoter ordentlich einzuweisen.
„Das ist deine Strippe. Festhalten!“ Genau das hat er dann getan, auch
noch als die Böe uns bedenklich auf die Seite drückte und Groß
und Besan schon weggefiert waren. Der Winddruck gegen die Fock reichte,
um den kritischen Punkt zu überschreiten. |
|
.
Vorbeugen ist besser
Bei diesen Zusammenhängen setzen eine
ganze Reihe von vorbeugenden Maßnahmen an, mit denen man versuchen
kann, eine Kenterung so unwahrscheinlich wie möglich zu machen. Das
beginnt schon bei der Auswahl des Bootes. Grundsätzlich gilt,
je breiter und bauchiger ein Boot, um so schwerer ist es umzuwerfen. Ob
Seitenschläuche oder Spitzenbeutel ist dabei zunächst egal. (Wie
der Reserveauftrieb im Inneren verteilt ist, spielt erst eine Rolle, nachdem
man gekentert, das Boot randvoll Wasser ist und man versucht wieder einzusteigen.)
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Zwei erwachsene Personen können den
Gewichtsschwerpunkt des leichten Faltkajaks beträchtlich beeinflussen.
Beim normalen Paddeln sitzt man gerade. Kleine Kinder lehnen sich im Spiel
gerne über den Bootsrand. Neigt sich ein Faltkajak nach einer Seite,
lehnt sich der erfahrene Paddler fast reflexartig nach der entgegengesetzten
Seite. Das macht man auch beim Segeln oder Motoren so. Selbstverständlich
und logisch. Ebenso selbstverständlich, dass man sich nicht in das
Boot stellt. Damit würde der Gewichtsschwerpunkt beträchtlich
nach oben steigen, so dass bereits eine geringe seitliche Neigung ausreicht,
um zu kippen. Ein Kind das plötzlich aufsteht, kann schon zum Problem
werden. Vernünftiges Verhalten an Bord ist die beste und billigste
Vorbeugung.
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In der Story-Seite
kann man von einer besonders albernen Kenterung lesen. Ein Junge reichte
uns sein Paddel seitlich herüber, weil er herangezogen werden wollte.
Das haben wir wunschgemäß getan. Patsch lag er im Plauer See.
Ein bisschen Gewichtsverlagerung hätte es vermutlich verhindert. |
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Wer sich eine Halterung für einen
normalen Außenborder bastelt, sollte die kleine zusätzliche
Mühe für eine Pinnengabel nicht scheuen. Damit wird zuverlässig
verhindert, dass sich der Motor unbeabsichtigt verdreht und schlimmstenfalls
sogar das Boot umreißt.
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Das schräge Anfahren von größeren
Wellenfronten ist eine bekannte Methode um das Boot und die Nerven der
Besatzung zu schonen. Das Gerüst wird weniger durchgeknetet und es
kommt nicht so viel Wasser über. Bei Motorfahrt sollte man sich daran
erinnern. Je höher die Wellen um so langsamer wird gefahren.
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Beim Segeln sind große Seitenschwerter
nicht nur nützlich um die seitliche Abdrift zu verringern, sie
verlangsamen auch Kenterbewegungen. So hat man etwas mehr Zeit um dem Umkippen
entgegen zu wirken. Das funzt natürlich nur, wenn sie unten im Wasser
sind. Man sollte auch platt vor dem Wind die Schwerter nicht ganz aufholen.
Sie verhindern wirkungsvoll das unangenehme Geigen des Bootes, das gelegentlich
auch schon zu Kenterungen geführt hat.
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Schotleinen sollten immer frei aus der
Hand gefahren werden und durch möglichst wenige Ösen oder Rollen
laufen, in denen sie sich verheddern können. Besegelungen,
deren Masten ohne Spannseile frei stehen, sind verstagten Masten vorzuziehen,
da man solche Segel notfalls weit auffieren kann, falls der Wind zu stark
wird. Stagen (Spannseile) schränken den Schwenkbereich des Großsegels
zu sehr ein, so dass diese Notmaßnahme auf Vorwind- und Raumschotkursen
(Wind schräg von hinten) dann nicht mehr möglich ist. Flatternde
Segel sind allerdings auch nicht ohne Risiko, da um so höhere Querkräfte
entstehen, je mehr das Tuch flattert. Segel, die mit vielen langen Latten
unterteilt sind, flattern weniger, als Segel ohne Latten.
.
Man kann natürlich
auch mehr Aufwand treiben
.
Mehrrumpfboote oder seitliche Schwimmer
an langen Auslegern verschieben den Auftriebsschwerpunkt entsprechend
weit nach außen (siehe Mehrrumpfboote). Das vergrößert
den Kenterwinkel deutlich. Sie können eine Kenterung jedoch nicht
hundertprozentig verhindern. Ausleger verführen dazu, die scheinbar
unerschütterliche Stabilität des Fahrzeugs auszureizen. Man setzt
beispielsweise größere Segel um den Geschwindigkeitsverlust
auszugleichen und dann passiert es eben doch. Mehrrumpfboote kentern auf
ungewöhnliche Weise manchmal kopfüber oder schräg nach vorn
über den Auslegerarm. Vor allem hohe Wellen können buchstäblich
zu Stolperfallen werden. Der niedrige Ausleger unterschneidet und das Multihull
schlägt einen Purzelbaum. Durchgekenterte Mehrrumpfboote sind schwer
wieder aufzurichten.
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Richtige Katamarane
haben heute meistens einen ausgeschäumten Mast. Bei einer Kenterung
schwimmt der Mast an der Wasseroberfläche und sorgt damit dafür,
dass das Fahrzeug nicht durchkentert. So hat die Besatzung eine Chance
den Kat wieder aufzurichten. Man steigt mit Kenterstrops über den
hochragenden Schwimmer und setzt das volle Gewicht der Besatzung als Hebel
an. Kentert der Kat doch durch, nimmt er anschließend mit dem Mast
nach unten eine sehr stabile Schwimmlage ein. Ist der See nicht tief genug,
spiest sich der Mast in den Grund und man bekommt das Ding nicht einmal
mit einem Motorboot wieder herum. |
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Man sollte diesen Fall einkalkulieren
und einfach zu öffnende Verbindungen zwischen den Schwimmkörpern
verwenden. ein durchgekentertes Faltboot lässt sich ohne Ausleger
viel leichter in die Schwimmlage zurückdrehen. Ausleger machen ein
Boot zwar sicherer aber leider auch langsamer, unhandlicher und vermehren
das Gepäck beträchtlich.
Gegen einen leichten Ausleger ist jedoch
weniger einzuwenden als gegen ein schweres Kielgewicht.
Ballastflossen unter dem Boot können
den Gewichtsschwerpunkt senken und den kritischen Kenterwinkel vergrößern.
Kielyachten packen allerdings 30 bis 50 Prozent ihres Gesamtgewichts
in die Kielbombe um den Gewichtsschwerpunkt unter den Auftriebsschwerpunkt
zu bekommen. (Stehaufmännchen)
.
|
Manchmal ist
es sogar noch wesentlich mehr. Ein paar Beispiele gefällig?
H-Boot: 1450
kg Gesamtgewicht davon 725 kg Kielballast (50%)
Laser-Stratos:
170kg Gesamtgewicht davon 100 kg Bleibombe am Kiel (59%)
Americas Cup: 24
Tonnen Gesamtgewicht davon 19 Tonnen Kielballast (79%)
Auch alle diese Schiffe
können kentern, allerdings erst bei Neigungswinkeln von 110 bis 160
Grad.
Nachdem sie sich allein
wieder aufgerichtet haben, herrscht in jedem Fall Chaos an Bord. |
.
Beim Faltbootzweier müssten es also
eigentlich 60 bis 100 kg sein. In den uns bekannten Fällen wurde mit
Bleiballast zwischen 7 und 18 kg unter dem Boot experimentiert. Oben sitzt
aber eine Besatzung zwischen 70 und 150 kg. Der Kielballast macht also
4 Prozent bis bestenfalls 18 Prozent des Gesamtgewichtes aus und dürfte
somit nur kosmetische Wirkung haben. Man muss davon ausgehen, dass
der Gesamtschwerpunkt bei diesen Experimenten immer noch erheblich über
dem Auftriebsschwerpunkt liegt.
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Der Gewichtsschwerpunkt
liegt etwas tiefer...
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...man fühlt sich
sicherer
|
...der kritische Kenterwinkel
ist etwas größer...
|
...aber kentern kan
man trotzdem
|
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..
Solche Boote sind damit immer noch formstabile
Jollen und keine gewichtsstabilen Kieljachten. Zweifellos hat man darin
ein größeres Sicherheitsgefühl. Das darf aber nicht darüber
hinwegtäuschen, dass auch diese Boote blitzschnell kentern, sobald
der (etwas größere) kritische Winkel überschritten wird.
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Peter Bray verwendete
bei seiner Ozeanüberquerung 2001 ein Spezialkajak mit einer schweren
Kielbombe. Darin steckte so viel Ballast, dass sein Boot tatsächlich
gewichtsstabil war. Er hatte keinen Mast und benutzte keine Segel. Trotzdem
wurde er mehrmals wie in einer Waschmaschine kopfunter gedreht. |
Es entstehen sogar zusätzliche
Risiken, die man ohne Ballastflosse gar nicht hätte.
Ein Problem ist die Verbindung der Flosse
mit dem Boot. Hier wirken enorme Hebelkräfte, die zuverlässig
an das Bootsgerüst weitergeleitet werden müssen. Zu desem Zweck
Löcher in die Bootshaut am Unterschiff zu schneiden, halten wir für
äußerst riskant. Ein Faltboot behält immer eine gewisse
Flexibilität. Holz biegt sich. Die Haut kann sich in hohen Wellen
etwas auf dem Gerüst verschieben. Die Befestigungslöcher dehnen
sich aus, rutschen aus der abdichtenden Verschraubung und schon hat man
ein gefährliches Leck.
Sehr viel totes Zusatzgewicht unterm Boot
verringert die mögliche Zuladung und erfordert zusätzlichen Reserveauftrieb
um das Boot bei Wassereinbruch schwimmfähig zu halten. Hat man sich
verrechnet und zu wenig Auftiebskörper im Boot, zieht es der Bleiklumpen
nach einer Kenterung auf den Grund des Gewässers. Ohne Auftriebsbeutel
reichen sogar schon ein paar große Aluschwerter zum Untergang.
Boot trennt sich
vom Besatzungsgewicht...
|
...der Gewichtsschwerpunkt
sinkt dadurch so weit ab...
|
...dass es sich (vielleicht)
allein wieder aufrichtet...
|
...und mit dem Wind
zügig davon treibt.
Sehr unangenehm!
|
..
Sollte sich ein gekentertes Kiel-Faltboot
nach dem Abwurf der Besatzung und dadurch entsprechend verringertem Gewicht
dank Ballastflosse tatsächlich von selbst wieder aufrichten ohne viel
Wasser zu übernehmen, möchte man nicht in der Haut der Besatzung
stecken, die ihrem mit erstaunlicher Schnelligkeit führerlos davon
treibendem Boot hinterher sieht. Wer eine solche Situation einmal auf einem
Großgewässer erlebt hat, weiß was Todesangst ist.
Wir wollen damit Niemanden von solchen
Versuchen abhalten. Man sollte sich nur vorher über diese Probleme
im Klaren sein und nicht blauäugig denken: "Mein Boot ist nun ein
Kielkreuzer. Jetzt kann mir gar nichts mehr passieren!".
(Die Ballastflosse
hat uns immerhin auf eine Idee gebracht, die weiter unten im Abschnitt
"Motorrettung" erläutert wird.)
.
Kenterungen können ein Boot völlig
unerwartet treffen.
.
Faltbootmikado am Gruber See (Farbdia aus den 80er Jahren)
. |
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Der kleine Gruber
See wurde einmal vor unseren Augen von einer Böe, die buchstäblich
aus heiterem Himmel kam, sauber leer gefegt. Eigentlich war es ein sonniger
ruhiger Tag. Man konnte am aufstäubenden Wasser genau erkennen, wie
sich die Böe über den See schob. Nahezu alles, was in diesem
Moment auf dem Wasser schwamm, wurde umgeworfen. Paddelboote mit und ohne
Segeln, Ruderboote, richtige Segelboote, Boote die an Pfählen in Ufernähe
festgemacht waren, sogar Faltboote auf den Bootsständern an Land flogen
herunter und übereinander wie die Stäbchen im Mikadospiel. Wir
saßen zufällig trocken am Ufer und trauten unseren Augen kaum. |
.
Wenn man nicht selbst dabei gewesen ist, kann
man manche haarsträubende Geschichte kaum glauben.
.
Auch ein Motorfaltboot
kann kentern, sogar auf dem Trockenen. Der Abend des 10. Juli 2002 wird
Manchem vielleicht noch in Erinnerung sein. Es war die sogenannte Jahrhundertsturmfront.
Der pausenlos laufende Fernseher unserer überlauten Wernigeröder
Campingnachbarn brachte schon am Nachmittag eine Warnung. Wir schlugen
ein paar zusätzliche Häringe ein und spannten noch einige Leinen
ans Vorzelt. Gegen 20 Uhr schob sich von Westen her eine schwarze Wand
über den Plauer See. Wie gewöhnlich wollte ich mir die Ankunft
der Böe am Ufer ansehen. So weit kam ich gar nicht. Plötzlich
flogen Äste und Zelte waagerecht durch die Luft, ein schlecht eingerolltes
Vorsegel zeriss wie Papier und vor dem Eingang zum Campingplatz stürzte
eine dicke Buche wie ein Schlagbaum quer über die Straße. Am
nächsten Morgen wurden weitere Schäden sichtbar. Der Platzwart
hatte einige Zeit herumzutelefonieren, um all die Wochenendcamper zu erreichen,
deren Boote an den Moorings hängend abgesoffen waren. Ein gut erhaltener
Delphin 110/2, der noch am Vortag unversehrt auf ebenem Kiel am Strand
gelegen hatte, war von der Böe glatt auf den Rücken gedreht worden.
Die wunderschön lamellierten Verdeckspriegel und die original erhaltene
Frontscheibe - alles nur noch Kleinholz. Als wäre das noch nicht schlimm
genug, drehte der Sturm |
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anschließend
in etwa 4 Metern Höhe einen beindicken Ast von einer Ebersche ab und
warf ihn wie einen großen Speer in den Bauch des Bootes. .Innen
waren mehrere Senten geborsten und in der grauen PVC-Pelle klaffte ein
langer Riss. (Wir haben früher manchmal in unserem Delphin übernachtet
... )
.
gewaltsamer Tod eines Faltbootes auf trockenem Land
|
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Was nun?
..
.
Das gekenterte Boot wird zum Rettungsmittel. Die Luftblase darunter hält
die Besatzung über Wasser.
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Was macht man bei einer Kenterung?
Die Frage wird immer mal wieder im Forum gestellt. Einig ist man sich darin,
dass im Zweier die erste Sorge dem anderen Besatzungsmitglied gelten
muss. Ist kein zweiter Kopf zu sehen, sollte man zuerst hinter und dann
unter
dem Boot nachschauen. |
Der notwendige Tauchgang wird erschwert, falls
sich inzwischen die teuere Automatikweste aufgeblasen hat. Viele Paddler
bevorzugen deshalb (wenn überhaupt) halbautomatische Westen, die sich
nicht ungewollt von selbst aufpumpen.
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Gewöhnlich
geht eine Wanderspritzdecke leicht auf und man rutscht schon im Umkippen
aus der Sitzluke noch bevor das Boot völlig durchgekentert ist. Es
sollen aber schon Leute mit dem Kopf nach unten im Boot hängend ertrunken
sein. Bei den Jägern der Inuit war das eine häufige Todesursache.
Wer das Wiederaufrichten nicht fertig brachte, zog den schnellen Tod durch
Ertrinken dem langsamen Tod durch Erfrieren vor. |
Erst nachdem der Partner sicheren Halt
am Boot gefunden und sich wieder etwas beruhigt hat, darf man an die nächsten
Schritte denken. Lose herumschwimmende Ausrüstung (Paddel) wird eingesammelt
und angebunden. Besonders die Paddel sind wichtig. Könnten ja später
noch gebraucht werden. Nun gehen die Meinungen auseinander. Empfohlen
werden beispielsweise seitliche Einsteigeversuche (wobei das andere Besatzungsmitglied
auf der anderen Seite dagegen hält), Einsteigen von hinten über
das Heck indem man flach auf dem Bauch mit den Füßen zuerst
nach vorne in die Sitzluke robbt während der Andere am Bug hängt,
oder das akrobatische Einsteigen unter Wasser ins kieloben treibende Boot
mit anschließendem Hochdrehen per Paddelschlag. Welcher Wanderpaddler
hat das drauf? Falls überhaupt, werden solche Techniken auf
dem Ententeich ausprobiert. Was bei Glattwasser funktioniert, kann aber
in Müritzwellen ganz anders aussehen.
Fremdrettung
Der vernünftige Normalpaddler wird
sich erst mal nach einem größeren Helferboot umsehen, um Hilfe
bitten bzw. angebotene Hilfe annehmen. Damit hat er immer noch die besten
Erfolgschancen und die kleinsten Risiken. Eitelkeiten und Abneigungen gegenüber
Motorbootfahrern sind in dieser Lage unangebracht. Auf der Mecklenburger
Seenplatte ist in der Saison reichlich Bootsverkehr, so dass man fast immer
helfende Hände finden kann. Das gekenterte Boot bleibt so lange kieloben,
denn dreht man es unüberlegt herum, verliert es die berühmte
Luftblase und damit einen großen Teil seiner Tragfähigkeit.
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Wir hatten jedes
Mal das Glück, dass sehr schnell andere Leute auf unsere Notlage aufmerksam
wurden und uns halfen. Auf der Werra bargen Kameraden vom Meininger Kanuverein
(damals BSG-Einheit) das Boot. Ich höre noch heute die vielen Trillerpfeifen,
mit denen die Vorausfahrenden alarmiert wurden. Auf dem Gruber See kam
ein kleiner Ruderkahn und auf dem Grünheider See ein großes
Motorboot. Wir haben aber in der Aufregung nie daran gedacht, Namen und
Adressen auszutauschen. An dieser Stelle deshalb einmal vielen Dank, auch
den unbekannten Helfern, die anderen Bootsbesatzungen uneigennützig
aus der Patsche geholfen haben. |
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Dummerweise ist ein gekentertes
Faltboot im aufgewühlten Wasser eines größeren Sees schlecht
zu sehen. Viel guckt sowieso nicht heraus und das Grau der Bootshaut tarnt
zusätzlich. Der Kopf eines einzelnen Schwimmers, wird in den Wellen
fast unsichtbar. Man muss also die fremde Bootsbesatzung erst mal auf die
eigene Notlage aufmerksam machen. Rufen oder Natur-Pfeifen reicht nicht
weit. Wir haben immer ein Lärminstrument griffbereit. Eine
Trillerpfeife ist lauter und schriller. Dadurch ist sie aus den Umgebungsgeräuschen
besser herauszuhören. Bei gemeinsamen Ausfahrten in kleinen Gruppen
kann man damit auch das vorausfahrende Boot auf besondere Situationen aufmerksam
machen. Es gibt natürlich noch andere Krachmacher. |
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Trillerpfeife - klein handlich und im Nahbereich kaum zu überhören
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Tröte aus dem Baumarkt
macht erstaunlich viel Krach
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Die Singvögel
machen es vor. Wer klein und schwach ist, muss zumindestens ein lautes
Organ haben. Wir
schafften uns ursprünglich aus Jux eine relativ laute Tröte an,
die schon mehrmals gute Dienste geleistet hat. Sie besteht aus ineinander
gesteckten Plasterohren über deren eine Öffnung eine Membran
gespannt ist. Man bläst in ein seitliches Loch und bekommt sofort
Ohrensausen. Der Ton ist markerschütternd und klingt wie die Sirene
von etwas ganz Großem. Auf der Elde in Plau wollte uns ein dickes
Charterschiff im Rückwärtsgang shreddern. Die beiden Leutchen
im Cockpit guckten dummerweise nach vorn, statt dahin wo ihr Boot hintrieb.
Als unser Horn losbrüllte, schnellten beide Köpfe wie angestochen
herum und die gefährliche Situation war entschärft. Die dachten
im ersten Moment wohl, sie werden gleich selber untergepflügt. Bei
Schleppfahrten bekommt gewöhnlich der letzte Mann im Schleppverband
Trillerpfeife oder Tröte, da er Notlagen möglicherweise eher
bemerkt als die Schlepperbesatzung. |
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Winken mit der bloßen
Hand kann man beim Schwimmen in hohen Wellen vergessen. Man braucht
einen sicheren Halt um sich hoch genug aus dem Wasser recken zu können
und einen auffälligen Gegenstand zum Winken. Der beste Winkplatz ist
also trotz Kenterung immer noch das Boot. Auch kieloben bietet es dank
der darunter eingeschlossenen Luft noch wesentlich mehr Auftrieb als der
menschliche Körper. Das Boot als sicherer Halt bietet außerdem
den Vorteil, dass man beisammen bleibt und leichter gefunden wird. An den
Steven kann man sich gut festhalten und effektiv Notsignale abgeben. Jeder
greift sich einen Steven, ein Winkelement und winkt was das Zeug hält.
Man könnte beispielsweise einen bunten Badeball so weit aufblasen,
dass er noch sicher mit einer Hand gehalten werden kann. Eine
gelbe oder orange Schwimmweste gibt ebenfalls ein sehr gut sichtbares Objekt
ab. Wenn man sich am Boot festhalten kann, nützt sie als Auftriebshilfe
sowieso nichts. |
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Weiche Feststoffweste mit
50 N Auftrieb. Vielseitig verwendbar als Winkelement, Paddelfloß,
Lehnenpolster |
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Vor Quetzin
am Plauer See kenterten im Sommer 2003 zwei Männer in einem besegelten
RZ85. Es wehte ein kräftiger NW-Wind und die Wellen waren dementsprechend.
Der Unfall wurde vom Ufer aus beobachtet. Statt beim Boot zu bleiben und
Notsignale zu geben, versuchten die beiden schwimmend an Land zu kommen.
Nur einer schaffte es. Der andere konnte nach einer Suchaktion nur noch
tot geborgen werden. |
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Nur ein trockenes Handy
wird nach einer Kenterung noch funktionieren. Eigentlich reicht schon eine
zugeknotete Folietüte.
Diese Hülle entdeckten wir im Wühltisch eines Baumarktes. Drei
wasserdichte Reißverschlüsse hintereinander, Rollverschluss
plus Klettsicherung.
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Auf einem Großgewässer
kann alles Winken und Tröten vergeblich sein. Man sieht zwar den einsamen
Angler, der helfen könnte, wird aber von ihm nicht wahr genommen.
Der moderne Mensch hat natürlich ein wasserdicht verpacktes Handy
dabei. Tja, wenn man jetzt die Nummer von dem Angler hätte,
der wäre schnell da... Der Notruf 112 geht zuerst an irgend eine Zentrale,
die ihn an die nächstgelegene Wasserwacht durchstellt. „Wo sind Sie
gekentert?“ – „Mitten auf der Müritz!“ Na prima. Das könnte eine
längere Suchaktion werden. Ein auffälliges optisches Signal das
Helfer in Sichtweite aufmerksam macht und schnell an die richtige Stelle
lotst, wäre jetzt eine feine Sache. Seekajaker machen den Pyroschein
und bewaffnen sich mit diversen Signalraketen. Rote Leuchtkugeln, die an
der Küste von Jedermann richtig gedeutet werden, könnten aber
im Binnenland ganz andere Reaktionen auslösen. „Babbi guggemol, Feuerwerk!“ |
Wir haben uns deshalb einmal
von der Nützlichkeit einer Handrauchfackel überzeugen lassen
und seit einigen Jahren auf den großen Seen so ein Teil an Bord.
Über eine der von Jochen G. innitierten Sammelbestellungen bekommt
man so etwas relativ preiswert. Orangeroter Rauch wird auch vom Binnenländer
sofort mit Feuer und Gefahr in Verbindung gebracht. Natürlich haut
man erst auf den Schlagbolzen, wenn potentielle Hilfe in Sichtweite ist.
Ansonsten kann man sie abends am Lagerfeuer herumzeigen und Diskussionen
über Sinn und Unsinn diverser Rettungsmittel auslösen. |
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Handrauchfackel liefert ca. 1 Minute orangeroten Rauch. Sie dient außerdem
"agitatorischen" Zwecken um Mitpaddler für Sicherheitsfragen zu sensibiliusieren.
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Hilft ein größeres Boot, ist
die Sache klar. Das havarierte Boot wird an die Leine genommen damit es
nicht wegtreibt und die Besatzung steigt zunächst auf das Helferboot.
Damit ist erst mal die Hektik raus und man kann verschnaufen. Falls notwendig,
können ersthilfliche Maßnahmen erfolgen. Vom Helferboot aus
ist auch das umgekippte Faltboot leichter zu bergen.
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Man nimmt es längsseits, und zieht
es am Süllrand seitlich aus dem Wasser. Dabei muss es nach und nach
so weit angehoben werden, bis die Sitzluke vollständig auftaucht und
der größte Teil des eingedrungenen Wassers abgeflossen ist.
Dann wird es etwas von der Bordwand abgedrückt und mit Schwung zurück
in die Schwimmlage gebracht. Dabei drückt man mit den Unterarmen
kräftig auf die Dollbordkante, so dass der gegenüber liegende
Süllrand über Wasser bleibt und es nicht gleich wieder voll läuft.
Mit zwei kurzen Leinen Bord an Bord neben dem Helferboot festgemacht, kann
man sich langsam in flaches Wasser schleppen lassen um das Boot wieder
trocken und fahrtüchtig zu bekommen.
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Kleines Helferboot
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Kommt die Hilfe per Paddelboot, wird es
etwas komplizierter. Vor allem darf der Helfer nie die Eigensicherung außer
Acht lassen, damit er nicht ebenfalls zum Havaristen wird. Am besten leistet
man Hilfe zur Selbsthilfe.
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Die Vorkämpfer
der Faltbootbewegung hatten noch tolle Tricks auf Lager. Da wurde schon
mal ein gekentertes Boot Heck voran mit der Sitzluke nach unten auf das
Helferboot gezerrt, bis das Wasser abgeflossen war, quer über dem
Süllrand liegend aufgerichtet und leer zurück ins Wasser geschoben.
Das ging sicher nicht ohne Schrammen ab. Von der Gefahr für den Helfer
gar nicht zu reden. Naja, die haben damals auch Handstände auf dem
Süllrand geübt, synchrones Kenterrollenballett vorgeführt
und zwanzig Minuten U-Boot unterm umgekippten Faltboot gespielt um Badegäste
zu erschrecken. |
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Ein Helfer im Kajak geht längsseits
zum gekenterten Boot und stabilisiert es nach dem Aufrichten durch quer
über beide Boote gelegte Paddel und sein Körpergewicht. Nun wird
erst mal so viel ausgeschöpft, bis das Oberdeck komplett über
Wasser liegt und keine Wellen mehr in die Sitzluke schlagen. Zum Wiedereinsteigen
von der dem Helferboot gegenüber liegenden Seite hängt sich die
helfende Besatzung mit dem Oberkörper voll über das andere Boot
und sorgt so für ein Gegengewicht zur einsteigenden Besatzung. Fertig
ausschöpfen sollten die Gekenterten ihren Kahn dann schon selbst.
Da wird ihnen wenigstens warm. Man kann inzwischen dafür sorgen, dass
sie während der Prozedur nicht wieder umfallen. Wichtig in so einer
Lage – der psychologische Faktor. Schon die Anwesenheit eines Helferbootes
entspannt die Situation und beugt unvernünftigen Reaktionen vor. |
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Im Faltbootforum
wurde mal gefragt, ob eine vierköpfige Paddlerfamilie besser in ein
großes Familienboot oder in zwei Zweier steigt. Einziger echter Vorteil
eines großen Familienbootes ist das günstigere Verhältnis
von Bootsgewicht und Transportkapazität. Ansonsten spricht fast alles
für zwei Boote. Optimal fährt der Papa mit dem einen Kind zusammen
in einem Boot und die Mama mit dem zweiten Spross im anderen Boot. Man
kann sich gegenseitig fotografieren, kleine Rennen veranstalten, zeitweise
getrennte Wege paddeln, Bordwand an Bordwand gemütlich Frühstücken,
mit dem Partner schmusen und sich last not least bei einer Kenterung gegenseitig
Hilfe leisten. |
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Wenn aber kein Helfer in Sicht ist?
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Eigenrettung
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Am Plauer See
beobachteten wir im Sommer 2002 einen heftig übertakelten RZ85. Riesige
Segel und gewaltige Seitenschwerter! Gewöhnlich segelte der Vater
mit seinem kleinen Söhnchen. Beide hatten sichtlich großen
Spaß an der Sache. Da sie auch bei stärkerem Wind aufs Wasser
gingen, machten wir uns doch etwas Sorgen. Auf die Frage, was sie im Fall
einer Kenterung machen würden, bekamen wir eine erschreckende Antwort.
Der Vater wäre ein guter Schwimmer. Er würde das Boot aufgeben
und mit dem Kind an Land schwimmen. Der Plauer See ist bis zu 5km breit!
Man hätte also möglicherweise über zwei km zu schwimmen.
So was ging schon mehr als einmal schief. |
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Uns wurde von klein auf eingebläut:
der sicherste Platz ist immer das Boot. Auch ein durchgekentertes Faltboot
würde unter sich noch genug Luft einschließen um seine Besatzung
zuverlässig über Wasser zu halten. An den schmalen Steven kann
man sich gut festhalten. Die Besatzung bleibt beieinander und so ein großer
Gegenstand kann von Helfern leichter geortet werden als ein kleines Köpfchen,
das immer wieder zwischen den Wellen abtaucht. Wenn man sich irgendwo festhalten
kann, ist außerdem der Energieverlust wesentlich geringer als beim
freien Schwimmen. Man denkt klarer, kann sich besser um die zweite Hälfte
der Crew und herumtreibende Ausrüstung kümmern. Hat man auflandigen
Wind und ist der Weg zum leeseitigen Ufer kurz, kann man tatsächlich
versuchen, das Ufer langsam schwimmend zu erreichen. Aber nur mit dem
Boot und mit dem Wind. Gegen die Zugrichtung der Wellen und gegen den
Wind anzukämpfen hat keinen Zweck. So lange man Kontakt zum Boot hat,
ist außerdem immer ein sicherer Halt in Griffweite um zu verschnaufen.
Hat man erst festen Boden unter den Füßen, ist der Rest ein
Kinderspiel.
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Ist der Abstand zum Ufer zu groß
und keine fremde Hilfe in Sicht, muss man eine andere Taktik anwenden.
Akrobatische Kunststücke wie Unter-Wasser-Einsteigen, kopfabwärts
hängend Spritzdecke schließen und anschließender
halber Eskimorolle aufwärts, lassen wir mal beiseite. Für den
Normalpaddler taugen nur Rettungsverfahren, die in Wind und Wellen auch
ohne langes Training hundertprozentig zum Erfolg führen. Es muss nicht
elegant aussehen und darf ruhig etwas mehr Mühe machen, Hauptsache
es funzt.
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Der übliche Ablauf ist:
Boot aufrichten – wieder einsteigen
– Lenzen
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Vorbereitungen zum Aufrichten
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Alles was die Prozedur behindert, sollte
weg. Der Segelmast wird aus der Halterung gezogen. Hölzerne Masten
und Spieren schwimmen von selbst, so dass eine Leine zum Boot ausreicht,
damit sie nicht wegtreiben. Maste aus Alu oder GFK könnten, falls
sie nicht abgedichtet oder ausgeschäumt sind, voll laufen und
untergehen. Man sollte sie also sorgfältig anbinden. Da man das evtl.
ohne direkte Sicht unter dem Boot erledigen muss, ist es günstig,
wenn man die wichtigsten Seemannsknoten blind hinbekommt. Seitenschwerter
bleiben angebaut und werden längs nach vorne oder achtern gestellt.
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Unter dem durchgekenterten Boot ist gewöhnlich
eine Menge Luft eingeschlossen. Je weniger davon beim Aufrichten durch
Wasser ersetzt wird, um so weniger hat man später rauszuschöpfen.
Ein Boot mit offener Sitzluke ist schnell umgedreht. Das geht ganz leicht.
Wir haben es ausprobiert. Leider läuft es dabei voll bis zum Rand
und man kann von Glück sagen, wenn es überhaupt an der Wasseroberfläche
bleibt.
Besser man macht die Spritzdecke vor dem
Umdrehen zu. Die Sitzkamine sollten, wenn möglich wie ein Sack
zugeschnürt werden. Damit verhindert man außerdem, dass weitere
lose Ausrüstung abhaut. Vor allem verringert man damit die Wassermenge,
die beim Aufrichten zwangsläufig eindringt. Gut, wenn man seine Spritzdecke
so gut kennt, dass man sie ohne direkte Sicht unter dem Boot dichtbekommt.
Andernfalls sind Tauchgänge erforderlich. Ganz schlechte Karten hat,
wer ohne Spritzdecke und ohne Reserveauftrieb (Spitzenbeutel bzw. integrierte
Seitenluftschläuche) unterwegs ist.
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Auf
dem Grünheider See segelte ich solo im RZ85 ohne Spitzenbeutel. (Dass
sie keine Luft mehr hielten, merkte ich erst zu spät.) Obwohl nach
der Kenterung gleich Hilfe kam, hätte ich fast das Boot eingebüßt.
Unsere „Werra“ versank nach dem Umdrehen langsam aufrecht in den Fluten.
Als ich den drohenden Untergang bemerkte, guckten gerade noch die Mastspitzen
heraus. In letzter Sekunde bekam ich ein Want (Bowdenzugseil) zu fassen.
Vermutlich reicht schon ganz wenig Zusatzgewicht (Segeleinrichtung, größere
Seitenschwerter...) um ein Faltboot ohne Reserveauftrieb untergehen zu
lassen. Dies war uns jedenfalls eine Lehre. Irgend was Aufblasbares - und
sei es billiges Badespielzeug - kommt immer in die Spitzen. Seit an unserem
Boot zeitweise 15kg Motor hängen, wird das gesamte Achterschiff mit
locker aufgeblasenen Badebällen ausgefüllt. Gewöhnlich sind
es sechs Stück. |
..
Aufrichten
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Das Aufrichten sollte möglichst schnell
erfolgen um wenig Wasser ins Boot zu bekommen. Leider ist der Boden eines
Faltbootes glatt und glitschig. Man muss sich also zunächst einen
guten Angriffspunkt schaffen. Ideal ist der Schwertbalken. Wer sich D-Ringe
angeschweißt hat, kann dort ansetzen. Sie müssen nur halten.
Pech, wenn sie im entscheidenden Moment ausreißen. Man
kann auch die Festmacherleine an einer Flügelmutter des Süllrandes
anknoten und über das Boot zur gegenüberliegenden Seite werfen.
Regattasegler haben an ihren Jollen oft schon vorsorglich kurze Kenterstrops.
Wer die Mühe nicht scheut, kann auch mit der Festmacherleine unter
dem Boot durchtauchen und sie wie einen Gürtel stramm um das Boot
herumbinden. Mit einem solchen Hilfsmittel hat man das Boot sehr schnell
wieder in Schwimmlage.
Die Sitzluke ist mit der Spritzdecke verschlossen. Dank einer kurzen Leine
am Süllrand kann das Boot sehr schnell aufgerichtet werden.
..
Es geht auch ohne Kentertampen. Zum Umdrehen
kann man sich von Lee mit dem Oberkörper seitlich auf das Boot ziehen
und das gegenüber liegende Dollbord greifen. Das macht man am Besten
achtern wo der Rumpf schmaler und niedriger ist. Der aufrichtende Hebelarm
ist dabei allerdings sehr kurz und man liegt mit dem Körpergewicht
halb auf dem Boot, so dass während der Rotation mehr Wasser eindringt.
Ist der See aufgewühlt, kann man die Eigenbewegungen des Bootes ausnutzen.
Da sich das führerlose Boot inzwischen quer vor die Wellen gelegt
hat, wartet man, bis die nächste Welle den Rand anhebt und der Drehung
den ersten Schwung gibt. Wirft man im gleichen Moment Kopf und Beine nach
hinten, dreht sich das Boot in die Schwimmlage. Wasser ist auf jeden Fall
drin, aber es schwimmt erst mal wieder richtig herum.
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Schlecht: Durch die offene Sitzluke läuft das Boot beim Aufrichten
randvoll.
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Jörg schreibt im Forum: "Ich habe
folgendes Verfahren von den Seekajakern kennen gelernt und auch mit meinem
Aerius 2 erprobt: Man greift mit je einer Hand an die beiden Süllränder
und wirft dann durch Heranziehen des entfernteren und Hochdrücken
des näheren Süllrandes das Boot wieder in Schwimmlage. Dabei
taucht der Schwimmer zwar ein wenig unter, er spart sich dann aber eine
Menge Wasser auszuschöpfen. Ich hatte jeweils nur ca. 10 cm Wasser
im Boot. Das ist auch für die weitere Bergung wesentlich: Beide Paddler
können sofort aus dem Wasser, das Freibord ist genügend hoch,
um Wellen nicht in die offene Sitzluke schlagen zu lassen, Weniger Wasser
ist schneller ausgeschöpft. Einfacher wird das noch, wenn der Schwimmer
sich auf Luv und damit mit dem Rücken zu den anrollenden Wellen befindet.
Zumindest bei einem leeren Boot geht das auch alleine prima." Jörg
Komenda.
Angelegte Schwimmwesten erleichtern die Methode. Bei voll beladenem Boot
macht man es zu Zweit synchron auf Kommando: "Hau-ruck!" .
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Vorbereitungen zum Einsteigen
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Durch das eingedrungene Wasser liegt das
aufgerichtete Boot sehr labil. Ein RZ85 mit Spitzenbeuteln ist dabei noch
wesentlich wackeliger als ein Aerius mit Seitenschläuchen. Wer nun
versucht, von der Seite her ins Boot zu steigen, schmeißt es mit
hoher Wahrscheinlichkeit gleich wieder um. Empfehlungen über das Heck
einzusteigen, taugen auch nur bedingt. Vielleicht schafft man es tatsächlich,
aber die Chance von Wind und Wellen wieder umgeworfen zu werden, ist groß.
Nach der zweiten Kenterung hätte man dann garantiert die berühmte
volle Badewanne und die Schwierigkeiten steigen enorm.
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Boote
mit Spitzenbeuteln haben vollgelaufen nur noch einen sehr schmalen
Stabilitätsbereich. Da sich der annähernd kugelfömige Reserveauftrieb
nahe der Längsachse in den Stevenspitzen konzentriert, kann der Auftriebsschwerpunkt
kaum zur Seite auswandern. Bei der kleinsten seitlichen Belastung wandert
der Gewichtsschwerpunkt über ihn hinweg und man kippt wieder um. |
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Dagegen
verbreitern Seitenschläuche den Stabilitätsbereich deutlich.
Der tiefer eintauchende Schlauch erzeugt mehr Auftrieb als der auftauchende.
Dadurch wandert der Auftriebsschwerpunkt ein Stück zur tiefer liegenden
Seite und bleibt unter dem Gewichtsschwerpunkt. Solche Boote fallen auch
voll Wasser nicht gleich wieder um. In hohen Wellen stoßen aber auch
sie an Grenzen. |
..
Das
"dritte Bein"
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Man benötigt ein Hilfsmittel
um das Boot zum Einsteigen und Lenzen so gut zu stabilisieren, dass man
auch auf bewegtem Wasser nicht gleich wieder umkippt. Den entscheidenden
Tip geben uns die Seekajaker. In diesen Kreisen macht man sich aus naheliegenden
Gründen schon eh und je mehr Gedanken über Sicherheit und Selbstrettung
und rüstet sich entsprechend aus. Man schafft sich einen Notausleger.
Als Auslegerholm bietet sich natürlich sofort das Paddel an. |
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Notausleger
aus Paddel, Vorleine Klebeband und etwas Aufblasbarem (Luftmatratze, Badeball...).
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Das Paddelblatt hat aber leider sehr wenig
Auftrieb. Es muss also einen tragfähigen Schwimmkörper bekommen.
Erfahrene Seekajaker nehmen dazu ein Paddelfloß mit aufs Meer, das
extra für diesen Zweck erfunden wurde. Das ist im Grunde nichts weiter
als eine doppelwandige Folietüte mit Ventil. Man steckt sie auf das
Paddel und bläst sie auf. Genauso gut eignet sich aber ein aufblasbares
Sitzkissen, eine Luftmatratze, eine Isomatte oder die Schwimmwesten der
Besatzung, ein leerer Kanister, ein wasserdichter Packsack, eine Schraubtonne
usw. Es sollten wenigstens 100 N (rund 10 kp) Auftrieb zusammen kommen.
Je mehr um so besser. Wir haben immer einige Badebälle dabei.
Schwimmwesten lassen sich dank ihrer Bänderung besonders einfach am
Paddelblatt befestigen, während andere Schwimmkörper mit Duck-Tape
oder mit einer Leine festgetüdert werden müssen. Ist der Ausleger
fertig, muss er fest mit dem Boot verbunden werden. Er kommt mittschiffs
oben auf die Spritzdecke und wird mit der unter dem Boot durchgezogenen
Festmacherleine verzurrt.
Eine
Schwimmweste ist dank der Bänderung sehr schnell um ein Paddelblatt
geschnallt. Diese hier erzeugt leider nur 50 N Auftrieb. Die Paddelflöße
der Seekajaker haben 100 bis 200 N Auftrieb. Man könnte noch einen
Badeball hineinstecken, leere PET-Flaschen den leeren Trinkwasserkanister
usw. |
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Man kann ihn auch an den Flügelmuttern
des Mittelspants befestigen, das spart einen Tauchgang und verlängert
den Hebelarm. Die Bastelarbeit, neben dem Boot schwimmend ist natürlich
kein Vergnügen und dauert einige Zeit, verbessert jedoch die Erfolgsaussichten
enorm. Sobald Notausleger und Bootsrumpf eine lagestabile Plattform bilden,
ist das seitliche Wiedereinsteigen nicht mehr schwierig. |
Der Ausleger muss dabei nur einen kleinen
Teil des Körpergewichts tragen. Man öffnet die Spritzdecke so
weit wie nötig, stemmt sich so dicht wie möglich neben dem Boot
mit einer Hand auf dem Auslegerarm und mit dem anderen auf dem Süllrand
in die Höhe und lässt den Oberkörper nach vorne über
die Sitzluke fallen. Nun hakt man den außen liegenden Fuß über
den Ausleger und bringt so leicht den Rest des Körpers ins Boot. Man
sitzt zwar mit dem Hintern oder etwas mehr im Wasser, aber erst mal wieder
im vertrauten Boot und kann in Ruhe die nächsten Schitte angehen.
So lange der Ausleger dran bleibt, ist eine erneute Kenterung unwahrscheinlich.
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Ausgangsstellung:
linke Hand auf dem Notausleger rechte Hand auf dem Süllrand. Körper
schräg nach hinten vom Boot wegdrücken. |
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Beine anziehen,
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Mit den Armen und einem gleichzeitigen
kräftigen Schwimmstoß der Beine Oberkörper schräg
nach vorne in den Stütz drücken |
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Oberkörper
über den Süllrand in die Luke falle lassen. Linke Hand fängt
den Fall auf dem gegenüber liegenden Süllrand oder auf dem Sitz
ab.
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Rechten Fuß
über den Notausleger haken
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Hintern über
den Süllrand in die Luke rollen - geschafft !
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Ein wichtiges Merkmal
dieser Methode besteht darin, dass nie das volle Körpergewicht auf
dem Boot lastet. Ein großer Teil des Körpers ist ständig
im Wasser entweder außerhalb oder innerhalb des Bootes.
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Lenzen
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Kühlschrankdose als trockener Wertsachencontainer kann als Ösfass
zweckentfremdet werden. |
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Nun muss das eingedrungene
Wasser raus. Falls man die Spritzdecke dicht genug geschlossen und das
Boot schnell genug herumgedreht hat, kann man das Restwasser ausschöpfen.
Hoffentlich hat man ein geeignetes Gefäß dabei. Wir haben eigentlich
immer eine Kühlschrankdose an Bord, die normalerweise Handy, Kamera
und Geldbörse trocken und griffbereit hält. In dieser Ausnahmesituation
würde sie wahrscheinlich zur Pütz umfunktioniert werden. Falls
man jedoch in einer randvollen Badewanne sitzt, hat man ein Problem. Die
Spitzenbeutel halten das Boot zwar an der Oberfläche, aber der Süllrand
liegt nun etwa in Höhe des Wasserspiegels. So viel man auch ausschöpft,
plätschert mit der nächsten Welle wieder hinein. Es gibt nur
eine Chance. Die Spritzdecke muss ringsherum dicht zugemacht werden und
man lenzt durch den Sitzkamin. |
Funktioniert natürlich nur, wenn dieser
weit genug geschnitten ist, so dass die Pütz vor dem Bauch genug Platz
hat. Spätestens jetzt beneidet man die besser ausgerüsteten Seekajaker.
Manche haben sogar akkubetriebene elektrische Lenzpumpen an Bord,die seewasserfest
gekapselt sind, mit einem Magneten eingeschaltet werden und in wenigen
Minuten das Boot mühelos
leergesaugt haben. Schon eine einfache Handlenzpumpe, die man vor sich
in den Sitzkamin stecken kann, wäre eine große Erleichterung.
Wer nicht einmal ein festes Schöpfgefäß dabei hat, kann
versuchen, ein Kleidungsstück z.B. die Kapuze der Paddeljacke zum
Schöpfen zu verwenden. Im Prinzip kann man sogar mit dem Rand des
Sitzkamins schöpfen. Nur mit den bloßen Händen zu schöpfen,
ist Quatsch. |
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In
ein randvolles Boot sollte zunächst nur Einer einsteigen und lenzen.
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Jeder kann leicht
mit einem Messbecher feststellen, wie wenig Wasser er in seinen zusammengepressten
hohlen Händen transportieren kann. Es sind bei durchschnittlichen
Männerhänden jeweils etwa 0,1 Liter. Ein randvoller Zweier enthält
mindestens 300 Liter Wasser. Man hätte also theoretisch rund 3000
mal zu schöpfen. Falls man es schafft, alle zwei Sekunden eine Schöpfung
zu machen, braucht man dazu fast zwei Stunden. Der Mensch ist aber keine
Maschine! Außerdem spülen vor allem in der Anfangsphase ständig
Wellen übers Boot. Keine Wanderspritzdecke ist völlig dicht.
Ein Teil des herausgeschöpften Wassers plätschert also in der
gleichen Zeit wieder rein. Damit kann sich die notwenige Zeit ins Unbekannte
hinein verlängern.
Die Eskimojäger hatten
immer eine Röhre (Röhrenknochen) dabei, um eingedrungenes Wasser
(und andere Flüssigkeiten) mit dem Mund anzusaugen und per "Mundpumpe"
außenbords zu befördern. Sie steckten die Röhre vor dem
Bauch ins Boot und saugten den Mund voll. Dann hielten sie die obere Öffnung
mit der Zungenspitze zu und spien das Bilgenwasser durch den Mundwinkel
aus. Dazu musste man nicht einmal das Paddel loslassen.
Dem Jungen, der uns damals
fatalerweise sein Paddel herüberreichte, haben wir anschließend
unsere Kühlschrankdose geborgt. Während sein Kumpel das Boot
stabilisierte, hat er den Einer in nullkommanix ausgeschöpft. |
Rettung von Mensch, Boot
und Motor
.
... worin durchaus eine Rangfolge
zu sehen ist. Die Prioritäten sind klar. An erster Stelle steht die
Rettung der Besatzung, aber wer möchte schon gerne das geliebte Boot,
oder den teueren Motor einbüßen? Zunächst wird die Angelegenheit
durch den Motor zusätzlich erschwert. Er hängt seitlich an der
Bordwand. Nach einer Kenterung wird das umgeschlagenen Boot also nicht
waagerecht kieloben liegen, sondern seitlich schräg mit dem schweren
Brocken nach unten. Die unter dem Boot eingeschlossene Luftblase dürfte
dadurch bedeutend kleiner sein, als bei motorloser Kenterung. Zum Ausgleich
haben wir vorbeugend so viele schlapp aufgeblasene Badebälle im Achterschiff,
wie gutwillig reinpassen. Es wird also trotz Motor und Schieflage erst
mal nicht absaufen. Aber wie nun weiter? Man könnte den Motor
abklemmen und auf den Grund versinken lassen. Das würde zwar die momentane
Situation erleichtern, später wäre aber ein Tauchereinsatz fällig. |
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Die Badebälle
werden nicht fest aufgeblasen, da auf diese Weise mehr hinein passen und
das Achterschiff besser ausgefüllt wird. So fällt es außerdem
leichter, notfalls einen Ball heraus zu ziehen. (Winkelement, Notausleger)
Man muss ebenso einplanen, dass sich die Bälle durch Sonneneinstrahlung
erwärmen und an Volumen zulegen. Werden Bälle undicht, haben
wir immer einige in Reserve. Guckt man allerdings sehr lange nicht ins
Heck, kann man Überraschungen erleben. Einmal fanden Mäuse den
Weg ins Bootsinnere und Geschmack an der verwendeten Folie. Sie zerschroteten
fünf von sechs Bällen. |
noch unerprobtes Konzept:
Unsere Überlegungen gehen in eine
andere Richtung. Es müsste möglich sein, den Motor zu retten
und sogar nützlich in ein Rettungskonzept einzubeziehen. Natürlich
säuft ein Motor bei einer Kenterung ab. Wasser wird in die Verbrennungskammer
gesaugt und man kann von Glück sagen, wenn es keinen Pleuelabriss
gibt. Das Wasser wird auch in alle anderen offenen Bereiche des Motors
eindringen. Im Interesse der Allgemeinheit muss unbedingt zuerst der Benzinhahn
und die Tankentlüftung geschlossen werden, sonst tritt Kraftstoff
ins Wasser aus.
|
Entscheidendes Hilfsmittel
sind die Vor- und Achterleine. Unsere sind gleichlang,
je 4 Meter. Sie bekommen einen Pahlstek
an einem Ende und werden mit dem anderen Ende je eine rechts eine links
in der Sitzluke am Mittelspant angebunden. An Steuerbord liegt die betreffende
Stelle 60 - 70 cm tief unter Wasser. Könnte also sein, dass man kurz
tauchen muss. Die Backbordleine wird über das Boot geworfen und anschließend
darunter durchgezogen. (Schon wieder tauchen!) Die beiden Pahlsteks am
Ende der Leinen werden an dem vorhandenen Karabinerhaken eingehängt,
der den Motor mit seinem Sicherungsseil verbindet. |
Das Sicherungsseil wird ausgehängt und
der Motor vom Klemmbrett gelöst. Er sinkt nach unten, richtet dabei
das Boot auf und hängt schließlich wie ein Anhänger am
Halskettchen mittschiffs ca. 3 Meter unter dem Boot. So weit die Theorie.
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Lüftung
und Benzinhahn schließen |
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Leinen am Mittelspant
festbinden und ... |
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... in Karabinerhaken
am Motor einhängen |
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Motor vom Klemmbrett
lösen |
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Boot richtet
sich von selbst auf |
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stabile Schwimmlage |
Ob die 12 Kilo Metall das vollgeschlagene
Boot tasächlich umdrehen und als provisorischer Kielballast ausreichend
stabilisieren können, um erfolgreich wieder einzusteigen und zu lenzen,
ist eine der großen Unbekannten des Konzepts. Wir hatten noch keine
Lust es praktisch auszuprobieren. Das ist aber nicht entscheidend,
denn falls es nicht reicht, kann man das Boot immer noch per Hand umdrehen
und einen Notausleger basteln. Die Leinen zur Befestigung des Auslegers
wären ja schon an Ort und Stelle. Fest stehen dürfte jedenfalls,
dass der Motor unter dem Boot für die Dauer der Selbstrettung am wenigsten
stört.
Nach Wiedereinstieg und Lenzen wird zuletzt
der Motor mit einer der beiden Leinen gehievt und auf die Bodenleiter gelegt.
Der Hersteller empfiehlt, einen untergegangenen Motor so wie er ist, ohne
erneute Startversuche in die Werkstatt zu bringen. Wir hörten aber
auch schon eine andere Meinung. Gar nicht kalt werden lassen, sondern mehrmals
Starter durchziehen um das Wasser herauszudrücken und wenn möglich
gleich wieder starten. Das würde Rostschäden verhindern. Keine
Ahnung, welches der richtige Weg ist.
Wasser im Boot
Wer nicht nass werden will, darf keinen
Wassersport betreiben. Solange eingedrungenes Wasser mit einem Schwamm
zu beherrschen ist, mag das angehen. Es kann aber auch mal etwas mehr sein.
Größere Wassereinbrüche können durchaus gefährlich
werden.
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Im 15. Bootsjahr
wollten wir von Kamerun aus gegen einen strammen Ostwind über die
Müritz segeln. Erst vor Röbel entdeckten wir, dass die Bodenleiter
schon überflutet war. Sitzkissen und Ausrüstung sowie die geschlossene
Spritzdecke hatten den Wassereinbruch bis dahin verborgen gehalten. Die
Tour wurde sofort abgebrochen und nach der Ursache gesucht. Wider Erwarten
fand sich kein Leck im Unterwasserschiff, sondern nur einige dunkle Flecken
am Rand des achterlichen Oberdecks. Bei näherer Betrachtung erkannte
man kleine Löcher in der Mitte der Flecken. Der Stoff war durch unsachgemäße
Lagerung an diesen Stellen längere Zeit feucht gewesen und punktförmig
verfault. Jede Müritzwelle, die über das Achterschiff wusch,
brachte ein paar Spritzer ins Boot. Im Laufe der Zeit kamen dadurch erhebliche
Wassermengen an Bord. Damals haben wir auf die Müritzquerung verzichtet
und lieber einen westlichen Kurs vor dem Wind Richtung Plauer See gewählt.
Im darauf folgenden Winter wurde das gesamte Oberdeck (in Handarbeit) erneuert.
Heute hätten wir eine einfache Lösung. |
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Das zeitgemäße
Heilmittel gegen alle Arten von Undichtheiten ist wasserfestes Klebeband.
In Falterkreisen hat sich die Bezeichnung "Duck-Tape" eingebürgert.
Davon muss immer etwas an Bord sein. Es klebt auf Bootshäuten und
Oberdecks und hält mindestens die aktuelle Tour durch. Man kann es
auch verwenden, um aufgedröselte Baumwolltampen zu betakeln, eine
gebrochene Leiste provisorisch zu schienen oder um einen Notausleger zu
basteln. |
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Es gibt natürlich Fälle, in
denen Duck-Tape nichts nützt. Wenn ein Motorbootfahrer mit Profilneurose
seinem überpowerten Plastikbügeleisen direkt neben einem offenen
Faltboot die Sporen gibt, können mit einem Schlag solche Wassermengen
in die Sitzluke brechen, dass man auch ohne Kenterung plötzlich in
einer halbvollen Badewanne sitzt. Da hilft dann nur noch die Kühlschrankdose.
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Auch der eigene
Motor kann eine Menge Wasser ins Boot schaffen. Ein seitlich angebauter
Z-Außenborder erzeugt sehr viel Spritzwasser. Man kann es zwar durch
ein entsprechendes "Leitsystem " größtenteils vom Boot weg lenken.
Ein bisschen spritzt aber trotzdem Richtung Boot. In unserem Fall zielte
die kleine Restfontäne genau auf die winzige Lücke zwischen Süllrand
und Bumerang. Als wir es bemerkten, stand das Wasser schon bis an die Brettchen
der Bodenleiter. |
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Manchmal kommt das Wasser aber doch durch
ein echtes Leck im Unterwasserschiff. So mancher MTW-Delphin-140
hat sich schon bei Grundberührung mit dem eigenen Schwert den Bauch
aufgeschlitzt. Die problematische Stelle ist so verzwickt, dass in diesem
Fall nur professionelles Schweißen hilft. Nachdem wir einmal einen
D140 mit diesem Schadensbild absaufen sahen, bastelten wir eine stabile
Metalleinlage für den Schwertsack, die im Notfall die Schnittkraft
der schmalen Schwertkante auf eine größere Fläche verteilen
würde. Außerdem hatten wir uns überlegt, dass man die Fock
notfalls auch als Lecksegel unter dem Boot durchziehen und mit ihren Schoten
so festbinden könnte, dass sie den gesamten Schwertschlitz einschließlich
Leck ausreichend verschließt, um wenigstens das nächste Ufer
zu erreichen. Keine Ahnung ob es funktioniert hätte. Der Notfall trat
dank vorausschauender Fahrweise nie ein.
Auf
Flussfahrten muss man immer mit Kratzern und Rissen an der Haut rechnen.
Es betrifft meistens die unnachgiebigen Stellen unter denen die Längsleisten
des Bootsgerüstes verlaufen. Eine gute Vorbeugung gegen solche Schäden
sind Kielstreifen. Außerdem hält man verschärft Ausguck
nach gefährlichen Hindernissen. Es ist keine schlechte Idee, das Boot
mit einer Doppelsteuerung auszurüsten. Die Vorderfrau hat die bessere
Sicht. Passiert es doch, hat man auf einem flachen Fluss meistens Gelegenheiten,
zum Aussteigen um das Loch abzukleben.
Klingt alles relativ harmlos. Wasser im
Boot kann jedoch auch schlimme Folgen haben.
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Vielen Faltern
wird der traurige Fall der beiden Winterpaddler noch in Erinnerung sein,
die zur Jahreswende 98-99 auf dem Rheinsberger See paddelten. Man fand
später nur wenige Sachen von ihnen und ein aufgeschlitztes RZ85. Aller
Wahrscheinlichkeit nach waren sie auf dem zufrierenden See in scharfkantiges
frisches Eis gefahren und saßen plötzlich bis zum Bauch in Eiswasser.
Nur im dicken Neo oder Trockenanzug hätten sie eine Chance gehabt,
das rettende Ufer lebend zu erreichen. |
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Solche Fälle dürfen nicht in
Vergessenheit geraten. Nicht nur im Winter, vor jeder Fahrt sollte man
sich des Risikos unerwarteter Probleme bewusst sein. Wer Natursportarten
betreibt, muss die Launen der Natur einkalkulieren.
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Mehr nicht?
Es wäre schon viel erreicht,
wenn jeder Falter weingstens so eine Minimalausrüstung an Bord und
die dazu passenden Verhaltensweisen im Kopf hätte. Viele Schönwetter-Paddler
verdrängen negative Gedanken und haben gerade mal eine Sonnenbrille
dabei.
Um es noch mal deutlich zu
sagen, dies ist ein Konzept für sommerliche Ausflüge auf warmen
Binnenseen und Kanälen. Es geht davon aus, dass man sich unbeschadet
längere Zeit im Wasser aufhalten kann. Unter härteren Bedingungen
reicht es natürlich nicht aus.
In der Vor- bzw. Nachsaison
ist auch in Meck-Pom das Wasser ungemütlich. Wer auskühlt, verliert
die Handlungsfähigkeit. Im kalten Wasser wären also Konzepte
gefragt, durch die man die Rettungszeit verkürzen kann. Vorbereitete
Leinen zum Festhalten und Umdrehen des Bootes, Kentersocken
die das eindringende Wasser begrenzen, schnelle Befestigungsmöglichkeiten
für den Notausleger (ohne Tauchgang), ein gekauftes Paddelfloß
und eine ordentliche Handlenzpumpe zählen dazu. Trockenanzüge
sind nicht gerade gemütlich, können aber die Auskühlung
des Körpers verhindern. Es anderes Konzept zielt auf den Erwerb spezieller
Fertigkeiten wie dem Wiederaufrichten per Paddelschlag wodurch die
zeitaufwändige Auslegermethode überflüssig wird.
Im Küstenbereich wäre
an eine Erweiterung des Signalgeräts um Leuchtraketen und eine
Handfunke
zu denken. Wer Meeresarme überqueren will, kann gar nicht genug für
die Sicherheit tun. Dann sind selbst elektrische Lenzpumpen, Satellitentelefon,
Epirb
(Notsignal per Satellit) und ein aufblasbares Beiboot kein Luxus.
Verliert man die Küste aus den Augen, sind GPS und navigatorische
Fachkenntnisse gefragt.
Auf schnell fließenden
Flüssen kommen zur Kenterung weitere Gefahren hinzu. Hindernisse,
denen man nicht mehr ausweichen kann, Ufermauern und Spundwände, die
eine Landung unmöglich machen. Dann sollte zum Beispiel unbedingt
ein Wurfsack zum Übergeben einer stabilen Leine dabei sein,
um sich auch gegen starke Strömung aus verzwickten Situationen zu
befreien.
Da wir solche Fahrten nicht
machen, lassen wir es bei der Erwähnung und verweisen auf die Experten
des Kanuverbandes und
der Salzwasserpaddler. |
(16.09.2004)
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J+J.
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